Mann beißt Hund
H**E
Eine Blume der Nacht
Vorweg dies: Als ich diesen Film vor vielen Jahren im TV-Sender arte zum ersten Mal sah, war ich schockiert und angewidert. Ich nahm mir vor, wie immer in solchen Fällen, so einen Dreck nicht noch einmal anzuschauen. Und dabei wäre es wohl geblieben, wenn mir am nächsten Tag dieser Streifen nicht ständig im Kopf herum gegangen wäre. Irgendwann erinnerte ich mich an die Szene am Kaffeetisch: Der Hauptheld Ben, eben aus dem Gefängnis freigekommen, hatte bei Kaffee und Kuchen mitten im Gespräch mit seinem Begrüßungsgeschenk, einer neuen großkalibrigen Pistole, ausgerechnet dem, der sie ihm geschenkt hatte, einer dummen Bemerkung wegen kurzerhand in den Kopf geschossen. In der Stille nach dem Schuss gleitet die Kamera an den entgeisterten, blutbesprenkelten Gesichtern der erstarrten Kaffeegesellschaft vorüber. Doch hält sich der freche Mörder mit diesem Zwischenfall nicht lange auf, sondern plaudert bald munter weiter über das professionelle Töten, über die Kunst der fachgerechten Entsorgung von Leichen, wie auch über die Kunst als solche, in welchem Zusammenhang er sogar ein zwei Beispiele eigener schlechter Gedichtkreationen vorträgt. Er weiß, wo alte Leute ihr Geld verstecken und wie man eine herzkranke Oma mit geringstem Aufwand erledigt. Er führt auch eine Vergewaltigung vor - in seinem abartigen Sinne stilgerecht. Er redet über Politik und über die Gestaltung trostloser Mietskasernen. Das Ganze geschieht vor dem Hintergrund schlimmer und schlimmerer Szenen, ungerührt abgedreht, eine schockierender als die andere. Über solche Szenen kann und darf man als anständiger Mensch eigentlich nicht lachen! Nicht sofort, denn am nächsten Tag kann genau das trotzdem passieren.Warum darf dieser Film nun aber nicht als irgendein blood-and-atrocity-trash bezeichnet werden, wie er tausendfach in den düsteren SFK18-Regalen einigermaßen gut sortierter Videotheken herumsteht? Was unterscheidet ihn von derlei Machwerken, die sich ebenfalls voyeuristisch-wollüstig dem Abyssus brutaler Abscheulichkeiten nähern, um dem hartgesottenen Zuschauer, der in der Sicherheit seines heimischen Wohnzimmers sitzt, einen haarsträubenden Blick in derlei grausige Abgründe zu verschaffen? Am nächsten Tag verschwinden solche Produktionen zumeist wieder in den dunklen Ecken des Verleihs, als wäre nichts geschehen."Mann beißt Hund" muss zu jenen Filmen gezählt werden, die mit den umstrittenen filmischen Mitteln brutaler provokativer Grenzüberschreitung spät angefangen haben. Heute tut das bereits jeder Stümper, um seine kruden Erzeugnisse womöglich noch der Kunst zu empfehlen. Das Produktionsjahr von "Mann beißt Hund" liegt mit 1992 weit hinter jener Zeit, als weiland Luis Buñuel und Salvador Dali mit abstoßenden cineastischen Entsetzlichkeiten experimentierten (1929). Und auch 1978, als A. Romero in seinen Zombiefilmen aberwitzige Horror- und Verfallsdarstellungen als methodisches Mittel eines neuen Genres zu verwenden begann, war bereits viel von dem Reiz filmischer Übertretung vorweggenommen. Die starke Affinität des Zelluloids zu solch hemmungslos ausbebilderter Gewalt zeigte sich also schon beizeiten. Ob nun die Darstellung blutiger Verstümmelungen, die Zerstörung des Zivilen, der Bruch mit jedem guten Geschmack oder die Bildersprache finsterster Apokalyptik, als Methode der Filmkunst hat sich solches alles längst etabliert und man muss schon eine wirklich besondere Idee haben, um hier noch etwas Neues zu schaffen. Tabubreakmovies sind damit nichts besonderes mehr, aber "Mann beißt Hund" ist aus folgenden Gründen besonders:Zunächst zur Rolle Bens, der Hauptfigur, die fast im gesamten Film allein agiert und genau genommen auch den gesamten Film fast allein bestreitet. Ben ist ein professioneller Auftragskiller, den ein Kamerateam bei seiner Arbeit begleiten möchte, um einen Dokumentarfilm über seine "Arbeit" zu drehen. Normalerweise würde der Plot an dieser Stelle bereits in einer schweren Plausibilitätskrise stecken, denn kein normaler Auftragsmörder würde sich je bei seiner Arbeit filmen lassen. Aber genau da, an dieser Stelle setzt das Argument in Gestalt des Killers Ben ein: Er ist kein üblicher Killer, wie man sich einen vorzustellen hat, sondern er ist die personifizierte Eitelkeit eines narzisstischen Kriminellen, er ist völlig von sich eingenommen, er ist total skrupellos und außerweltlich, er ist ein gefährlicher Psychopath. Gespielt wird er vom genialen Benoît Poelvoorde, der diesen abartigen Typen dermaßen überragend bringt, dass mir das Gesicht Poelvoordes wohl für immer mit dieser seiner Rolle als Killer Ben verbunden bleiben wird. Seine schauspielerische Leistung, mit der er das Psychogramm Bens auf den rabenschwarzen Punkt bringt, ist der erste wichtige Grund, warum dieser Film für mich ein Kunstwerk ist.Ein weiterer Grund betrifft den Zusammenhang von Bild und Regie. Der Film ist in Schwarzweiß gedreht und setzt sich so selbstbewusst vom meisten Vergleichbaren ab („Schindlers Liste“, auch ein gutes Beispiel für den gelungenen Einsatz von Schwarzweiß, wurde erst 1993 gedreht). Er verzichtet damit völlig zu Recht auf Rot, die Farbe des Blutes, das in ihm genug vergossen wird. Wie leicht hätte hier ein Zuviel entstehen können, aber Rémy Belvaux und André Bonzel, die beiden Regisseure, haben ingeniös entschieden: So einen Stoff darf man nicht in Farbe bringen, Schwarz reicht da völlig aus und das Weiß diene allein zur Unterscheidung der Bildinhalte. Zudem rückt das Schwarzweiß den schlimmen Reigen dieser gemächlich erzählten Groteske auch ein ganz klein wenig weiter vom Zuschauer weg, sodass ihm gerade so viel Distanz bleibt, sich den Film bis zum Ende anzuschauen, ohne irgendwann voll am Rad zu drehen. Die Szenenfolgen sind fließend und schlüssig, nichts bleibt, bis auf die Art der Inhalte selbst, unklar oder irritierend, obgleich Sprünge, Vorwegnahmen und unvermittelte Einstiege vorhanden sind. Die Szenen sind durchkomponiert wie böse, verstörende kleine Musikstücke.Die Kamera vermittelt die Story kongenial. Alles stimmt, die Perspektiven, die Entfernungen, die Bildinhalte. Stellenweise wird der hektische Wackelgang einer Livedokumentation imitiert, was die Authentizität des Geschehens unmittelbarer spürbar macht.Den vollkommenen Geniestreich des Films bildet für mich aber sein abgründiger Hintergedanke: Es geht um die Distanz, die zwischen uns, den Zuschauern, und dem fiktiven Geschehen eines Films besteht. Diese Distanz, nur Zuschauer und nicht Akteure eines Filmgeschehens zu sein, ist unser Schutz und sichert uns noch ein gutes Gefühl, selbst wenn wir den aberwitzigsten Gewalttaten als unsichtbare Gäste beiwohnen. In "Mann beißt Hund" müssen wir uns als Zuschauer jedoch bereits durch die Arbeit des Filmteams ertappt fühlen, das uns einen Besuch des Abseitigen aus der schützenden Distanz der dokumentarischen Darstellung verschaffen will. Die Filmleute sind die Willensgehilfen des Zuschauers, die das, was der Zuschauer sehen will, zeigen. Solcherart korrumpiert gibt es da aber auch einen Interessenkonflikt: Die Filmleute wollen zwar nur ihre Doku drehen, um dann womöglich wieder in ihr normales Leben zurückzukehren, aber Ben findet zunehmend Gefallen an seiner Rolle im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit und beginnt sich zu produzieren. Er braucht das Team ja nicht, weil er anonyme Zuschauer unterhalten möchte, sondern er wünscht sich als Mörder, Denker und Künstler wahrgenommen und anerkannt zu werden. Er braucht Komplizen und Gleichgesinnte, die bestenfalls sogar Teil seiner dünn besiedelten und abnormen Zwischenwelt werden. Er zweifelt keinen Moment an der Rechtmäßigkeit seiner kriminellen Existenz und findet aus seiner egozentrischen Perspektive auch keinerlei Anlass, sich je zu hinterfragen. Das scheinbar unverdächtige Interesse von Vertretern der normalen bürgerlichen Welt an ihm bestätigt ihn also in seiner Egomanie und lässt ihn gänzlich jede Scheu verlieren. So tritt er als Wesen der Dunkelheit plötzlich ins Licht vor die Kamera.Von Bens unheimlicher Persönlichkeit geht eine gefährliche Sogkraft aus, die jeden, der ihm zu nahe kommt, in die Todesabgründe seiner irren Psyche zu reißen droht. Selbst seine Posen bürgerlicher Banalität oder possenhafter Lächerlichkeit, in welche er sich immer wieder frei- aber auch unfreiwillig begibt, können diesen Schauder nicht binden, sondern vielmehr verstärken sie ihn und verleihen Bens Charakter umso intensiver jenes dämonische und unsympathische Flirren. Er und seine Welt sind völlig krank und verschoben, dennoch west er in all dieser Unsäglichkeit so selbstverständlich und vital wie ein Insekt.Ben bietet das Unannehmbare und völlig Inakzeptable, welches ihm die Leute vom Film in einem nicht gezeigten Teil der Geschichte zuvor angetragen haben, zunächst als unschuldiges Alltagsgeschäft an: Ich verübe meine Morde und ihr dreht euren Film darüber. Aber ohne es zu merken werden die Filmleute sukzessive von unbeteiligten Beobachtern zu Mitwissern, von Mitwissern zu Mittätern und von Mittätern zu Akteuren des Mordens. Ben bildet sie regelrecht aus, erklärt ihnen jedes Detail und lässt sie, den Ausbruch aus der ihm letzlich unwillkommenen Einsamkeit seines Auftragskillerdaseins genießend, an jedem abwegigen Wissen teilhaben. Schließlich wird das Team von dem Grauen, den es seinen Zuschauern wohlig aufbereiten wollte, in dem Moment endgültig selbst verschlungen, als das Geschäft des Todes zur banalen Alltäglichkeit wurde und sie sogar teilzuhaben begannen an den bestialischen Freuden des Gesetzlosen. Jede Distanz war nun auf Null zusammengeschmolzen, unumkehrbar, rettungslos.Spoiler: Der Zuschauer weiß am Ende nicht mehr, wie er sich dazu verhalten soll. Auch SEINE Distanz zum Geschehen ist durch die naturalistische Darstellung der Gewaltorgien und den hintergründigen Zynismus, der gleich einer bösen Philosophie alle Szenen durchdringt, weitgehend verloren gegangen. Eigentlich ist er doch an den Unterschied zwischen realer und konsumtiver Gewalt gewöhnt, aber das hier ist anders und es beschleicht ihn das ungute Gefühl, korrumpiert worden, und Zeuge echter Verbrechen geworden zu sein. Er sehnt sich nach einem Ausweg aus diesem Dilemma, den der Film auch gnädig anbietet und zwar in Gestalt einer klassischen Katharsis. Ich habe selten auf ein derart rabiates und vollständig eliminierendes Ende so erleichtert reagiert.Ich halte diesen Film für ein Meisterwerk.
P**S
Mann beisst Hund
Ein sehr gelungenes Meisterwerk das beleuchtet wie rücksichtlos und ohne Reue manche Mörder zuschlagen....klasse gespielt schön blutig aber auch lustig zwischendurch muss man meiner meinung nach gesehen haben 👍🏻👍🏻👍🏻
R**Z
Spitzen Film
Brutaler Thriller der nicht für jeden geeignet ist .
J**H
Klassiker
Toller Film für zwischendurch kann ich empfehlen
J**4
Alles super. Danke.
Alles super. Danke.
Trustpilot
1 day ago
2 weeks ago